Begegnungsreise Jordanien 2018

Fremde sind Freunde, die man nur noch nicht kennengelernt hat.

Vor Ostern 2018 brach eine sawa-Gruppe auf, um Menschen in Jordanien zu begegnen. Es war die nunmehr dritte Reise von sawa nach 2013 und 2015 in das Land östlich des Jordans. Nach einführenden Tagen in der Hauptstadt Amman und einem Abstecher an das Tote Meer, lag der Schwerpunkt der Reise in der Kleinstadt Anjara im Norden. In der dortigen Gemeinde leisteten Hannah, und zum Reisezeitpunkt Charlotte ihren Freiwilligendienst.

Die perfekte Begegnungsgröße

Die Gruppengröße von 5 Menschen stellte sich als perfekt dar, um eingeladen zu werden und um zu begegnen – wie wir später noch sehen werden. Organisiert haben die Reise Benedikt, Christoph H. und Hannah – ehemalige Freiwilligendienstleistende in Jordanien und Syrien. Christoph K. und Linn haben persönliche Kontakte zu Organisator*innen und waren gespannt, das erste Mal nach Westasien zu fahren.

عمّان- Amman

Empfangen wurden wir an diesem späten Freitagabend am Flughafen von Rammah, einem Freund von Hannah. Über Airbnb hatten wir eine Ferienwohnung in Amman gebucht, zu der Rammah uns brachte und wo wir erschöpft in unsere Betten fielen.

Am nächsten Tag war die Zitadelle von Amman, nach einem ausgiebigen Frühstück, unsere erste Anlaufstelle. Da sich die Zitadelle auf einem der inzwischen 19 Hügel von Amman befindet, findet dort 5-mal täglich zur Gebetszeit ein kostenloses Konzert statt – die Rufe aller Muezzine kommen zusammen, woraus ein wunderschöner, vielstimmiger Klang entsteht.

Im Stadtzentrum (Downtown) fanden wir ein nettes Café im dritten Stock , in dem man leckeren Kaffee erhielt und das Treiben auf den Straßen beobachten konnte.

Schon in den ersten Tagen trafen wir Freunde von Hannah und Charlotte und folgten unserem Anspruch der ‚Begegnung‘ in unserer Reise. Tareq bestand darauf, uns zum Frühstück einzuladen und wir trafen einige Freunde (ja, nur Männer) aus Anjara zum Abendessen in Amman. Nach einem gemeinsamen Shisha- und Limetten-Minze-Cocktail-Abend mit Rammah und Freih, lud auch Rammah uns für den folgenden Tag zum Mittagessen bei seiner Familie ein. Von seiner Dachterrasse aus hatte man einen wunderschönen Ausblick über Amman! Auch trafen wir Hamsa, einen Freund von Benedikt aus seiner Zeit als Freiwilliger in Amman, zum Kaffeetrinken in Downtown und gingen spazieren.

Wüstenschlösser und das Azraq Marschland Naturschutzgebietمحمية الأزرق و قلاع الصحراء

Am nächsten Ting verließen Linn, Christoph K., Benedikt, Hannah, Charlotte und Tareq Amman in Richtung Osten. Dort finden sich teils noch gut erhaltene Wüstenschlösser, Zeugnisse der Dynastie der Umayyaden, die von 661 bis 750 nach Christus von Damaskus aus das junge islamische Imperium beherrschten. Mit einem geräumigen Mietwagen, den Christoph K. während der gesamten Reise stets gerne fuhr und uns dies auch nur schweren Herzens überließ, legten wir einen Zwischenstopp bei einer Schokoladenfabrik ein. Denn Christoph K. war nicht nur leidenschaftlicher Fahrer, sondern auch stolzer Besitzer einer Schokoladenverpackungssammlung!

Nachdem wir einige Schlösser besichtigten, fotografierten und uns fotografieren ließen, Tee tranken und Schokolade aßen, hielten wir noch kurz in Al-Azraq, einer Stadt ca. 100 km östlich von Amman, um etwas zu essen und das Al-Azraq Wetland Reserve zu besichtigen. Die ausgetrockneten Wasseroasen in diesem Naturschutzgebiet zeigten uns den Wassermangel besonders deutlich gegen den Jordanien seit Jahren ankämpft.

Neue Einsatzstelle für Freiwillige

Christoph H. war an diesem Tag in Amman geblieben, um die Caritas Amman kennenzulernen, als potenzielle neue Projektstellen für zukünftige Freiwillige. Im Laufe der Reise besuchte er außerdem eine christliche Privatschule sowie die Nazarene Evangelicalism School, die wir hier kurz vorstellen wollen – wurde sie doch die Projektstelle von mittlerweile zwei SoFiA-Freiwilligen.

Die Schule wird von der US-amerikanischen evangelischen Nazarene Church betrieben, von der sie auch ihren Namen hat. Sie stehen in einer Tradition von europäischen und US-amerikanischen Kirchen, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts Bildungseinrichtungen im heutigen Jordanien, Libanon, Palästina und Syrien aufbauten; primär, um die christliche Bevölkerung zu unterstützen. Diese Zielgruppe hat sich mittlerweile geweitet. Die Nazarene School liegt in Aschrafije, einem zentrumsnahen Stadtteil Ammans, in dem auch Geflüchtete aus dem Irak und Syrien eine Bleibe gefunden haben. Deren Kinder besuchen die Schule gemeinsam mit muslimischen und christlichen jordanischen und palästinensischen Kindern. Viel Platz und Geldmittel hat die Schule nicht, die motivierten Mitarbeitenden versuchen das Beste aus den engen Räumen und verwinkelten Fluren zu machen. In einer Ecke sprießen Pflanzen aus alten Autoreifen, Wände sind mit Bildern und Lernweisheiten bemalt, ein Sozialarbeiter kümmert sich individuell um Kinder.

Christoph H. wurde von Klasse zu Klasse geführt. In der Englischklassen sollten die Schüler*innen ihre Kenntnisse unter Beweis stellen und ihm Fragen stellten. Zeitbedingt blieb es bei zweien bleiben, die einen ersten Eindruck davon geben, was Kinder über Deutschland wissen und sie bewegt: „Do you like Hitler?“ und „Do you have LEGO City in Germany“. Davon, was die Kinder noch so alles bewegt, kann der erste Freiwillige Jan mehr erzählen.

البحر الميت- Totes Meer

Solange wir noch unseren Mietwagen hatten, nutzen wir die Gelegenheit, einen Abstecher an das Tote Meer zu machen – ein touristisches Muss für Linn und Christoph K., die das erste Mal in Jordanien waren! Öffentliche Strände und Zugänge zum Toten Meer sind oft sehr verschmutzt und Baden – vor allem als Frau – ist dort sehr unüblich. Also buchten wir uns für eine Nacht in ein Hotel mit eigenem Meerzugang ein. Kaum angekommen, eilten wir voller Vorfreude ans Wasser des salzhaltigen Sees. Der Weg dahin war allerdings eher bedrückend – Schilder, die in regelmäßigen Abständen von einigen Metern aufzeigten, wie hoch der Wasserstand noch vor wenigen Jahren war, konfrontierten uns auch hier mit der Wasserproblematik Jordaniens. Der Fluss Jordan versorgt die Bevölkerungen Israels und Jordanien sowie deren Landwirtschaften mit Süßwasser. Aufgrund der steigenden Wasserentnahmen kommt immer weniger im Toten Meer an. Der Pegel sinkt.

Am „Strand“ wartete dann ein Behälter mit dem mineralhaltigen Totenmeerschlamm auf uns. Wir salbten uns von oben bis unten ein und versuchten anschließend, es im Wasser abzuwaschen. Leichter gesagt als getan, denn durch den hohen Salzgehalt im Wasser wird der ganze Körper immerzu an die Oberfläche getrieben – das sieht dann besonders in Bauchlage sehr amüsant aus. Den Abend verbrachten wir, dank unserer Totenmeerschlammkur mit besonders weicher Haut, kartenspielend am Rand des Pools.

St. Charbel – Maronitische Kirche digital

An einem Sonntagabend besuchten wir die maronitische Gemeinde „St. Charbel“, die außerhalb des Stadtzentrums Ammans an der Straße zum Flughafen liegt. Für Benedikt war es die Rückkehr an seine alte Freiwilligenwirkungsstätte.

Diese Olivenbäume hatte Benedikt während seines Freiwilligendienstes in die Erde gesetzt.

Einiges war für ihn noch vertraut: die ägyptischen Hausmeister, einige ältere Gemeindemitglieder und die maronitischen Gesänge während der Messe, deren Texte mittlerweile von Flachbildschirmen abgelesen werden können. Anderes hatte sich verändert: In seinem Freiwilligendienst hatte Benedikt viel Zeit mit den christlichen Geflüchteten aus dem Irak verbracht, die in Gästezimmern untergebracht waren und die wir auch bei der vorherigen Begegnungsreise kennenlernen durften. Mittlerweile sind sie ausgezogen, ein Kindergarten mit einer Handvoll Kindern, nutzt nun einen Teil der Räumlichkeiten. Weitere schicke Gästezimmer und mehr Sitz- und Sanitärmöglichkeiten zum Grillen im Außenbereich sind ebenfalls dazugekommen und der frisch entsandte libanesische Pfarrer möchte noch ein Altenheim und eine Begegnungsstätte bauen. Insgesamt trafen wir jedoch auf viel Beton und wenig Menschen – ohne die Iraker*innen hat der Ort viel an Lebendigkeit verloren – was uns etwas traurig stimmte.

Die maronitische Kirche St. Charbel im Amman.
Die elektrischen Heizer vom kalten Winter stehen noch im Mittelgang.

عنجرة- Anjara

Nach den ersten paar Tagen in Amman, ging es weiter nach Anjara, wo sich Charlotte gerade in der zweiten Hälfte ihres Freiwilligendienstes befand. Diesmal bedeutete es für Hannah ein Wiedersehen ihrer alten Projektstelle.

Nach einer, für Hannah nostalgischen Busfahrt, wurden wir in Anjara herzlich von den Kindern, Nonnen und Abuna Yousef begrüßt. Abuna, wörtlich „unser Vater“ ist die arabische Priesteranrede. Während die Männer unserer kleinen Gruppe das Glück hatten, eine große Wohnung im Ort für die kommende Zeit beziehen zu dürfen, wurden Linn und Hannah in Charlottes Zimmer untergebracht. Direkt am zweiten Abend ging es sehr spontan auf die Geburtstagsfeier von Sakher, einem Gemeindemitglied und Freund von Hannah. Weniger später fanden wir uns dann mit je einem (oder zwei) Stück zuckersüßem Kuchen auf einer Couch wieder, beobachteten das Geschehen und unterhielten uns prächtig.

Anders als in vielen Gemeinden in Deutschland wimmelt es in Anjara von jungen Menschen: Jungen und Mädchen wohnen im Internat auf dem Kirchengelände; Jugendliche und junge Erwachsene nutzen das Kirchengelände zum Treffen.

An nächsten Tag besuchten wir die Schule auf dem Gelände, wo uns die Direktorin (arabisch: al-Mudira) Basemah mit offenen Armen empfing. Zusammen überlegten wir, ob und wie wir uns in den nächsten Tagen einbringen konnten. Schlussendlich misteten wir einen Raum aus, schmissen Müll weg und ordneten alles neu.

Christoph K., in Deutschland kurz vor seiner Einstellung als Physiklehrer, durfte etwas experimentelle Lehrerfahrung im Physikunterricht von Herrn Mohammad sammeln. Zwei hart gekochte Eier vom Frühstückstisch, eine Flasche Totes-Meer-Wasser, eine Flasche Leitungswasser hatte er mitgebracht. Die Schüler*innen wussten schnell worauf das Experiment herauslaufen sollte: die Dichte des Wassers. Im Salzwasser schwimmt das Ei oben und sinkt nicht ab. Herr Mohammad war zufrieden und schrieb zusammen mit Christoph K. nochmal schnell die passenden Formeln an die Tafel.

An einem Abend nahmen wir an dem wöchentlichen Treffen der Shabebe (der Jugendgruppe der Gemeinde) teil, die uns etwas über ihre Arbeit erzählten, sowie auch wir etwas über unsere berichteten – Begegnung und Austausch mia b-il-mia (100%).

Zusammen mit einem jungen französischen Kurzzeitfreiwilligen, sahen wir uns den Nachbarort Ajloun an. Dabei stellte natürlich das allseits bekannte Tourist*innenhighlight die Burg dar – Hannah besuchte ‚Ajloun Castle‘ mindestens achtmal während ihres Dienstes. Irgendwann hört man auf zu zählen. Wir erkundeten die Burg, kletterten herum und aßen dabei eine Menge Sonnenblumenkerne.

Den Rest der Zeit verbrachten wir plaudernd auf dem Schulhof mit den Schüler*innen, halfen bei der Zubereitung des Essens und nahmen an einer Feier anlässlich des Muttertags teil. Dabei gab es die Gelegenheit für viele kleine Begegnungen. Bemüht wurden alle erdenklichen Kommunikationsformen: Arabisch, Englisch, Italospanisch-Mix, mit Händen und Füßen oder beim gemeinsamen Zwiebelschälen mit einem tränend-lachenden Augenkontakt.

يلا باي باي – Yallah, bye bye…

Nach 10 gemeinsamen Tagen trennten sich unsere Wege und es wurde Zeit sich zu verabschieden, auf gut Jordanisch mit yallah bye bye. Für Christoph K. ging es zurück nach Deutschland, Benedikt bleib noch einige Tage in Amman, Linn und Hannah fuhren nach Aqaba und Wadi Rum, und Christoph H. reiste auch noch etwas weiter.