Begegnungsreise Jordanien 2013

Abuna Jihad war lange Jahre Pfarrer der maronitischen Gemeinde in Latakia (Syrien) und darf mit Recht als Urheber des gemeinsamen Brückenbauens bezeichnet werden. Im August 2012 hat er sein neues Amt als Leiter der maronitischen Gemeinde in Amman angetreten. Mehrere Gründe sprachen dafür, ihn dort zu besuchen: Erstens wollten wir die Gemeinde dort (und deren Kontext: also Land und Leute) kennenlernen. Zweitens waren wir mit einem Besuch an der Reihe, nachdem Abuna Jihad zum letzten Mal 2011 in Deutschland war. Drittens wäre eine Reise nach Syrien nicht möglich gewesen, in Jordanien konnten wir aber sowohl Abuna Jihad als auch andere alte Bekannte treffen. Im Folgenden nun die ursprünglich im Blog veröffentlichten Reiseberichte:

Jordanien, die erste (10.03.2013)

Erste Eindrücke aus Amman

ErsteEindrücke Grundstüc
Beim neuen Grundstück der Kirche in der Nähe des Jordans
Bei Madaba

Nach einem relativ anstrengenden Flug sind wir gut in Amman angekommen. Abuna Jihad freute sich mindestens so sehr wie wir über das Wiedersehen. Auch der zweite Pfarrer, Abuna George, ist kein unbekanntes Gesicht für die meisten von uns. Der Empfang war geradezu päpstlich.

Die maronitische Kirche St. Cherbel liegt außerhalb von Amman an der Straße zum Flughafen. Neben der Kirche befinden sich auf dem Gelände das Pfarrhaus, Unterkünfte für Gruppen (hier ist Abuna Jihad als Baumeister schwer aktiv), einen großen Veranstaltungssaal und eine Außenanlage zum Spielen für Kinder oder zum sommerlichen Grillen für Gruppen.

Die Kirche wurde erst 2010 eingeweiht. Mitglieder der Gemeinde sind überwiegend Auslandslibanes*innen und -syrer*innen, sowie maronitische Palästinenser*innen, die nach der Gründung Israels nach Jordanien kamen. Die Gemeinde hat bis jetzt noch nicht ein allzu intensives Gemeindeleben entwickelt. Abuna hat aber natürlich schon viele Pläne, z.B. für die Jugendarbeit.

Christliche bzw. biblische Sehenswürdigkeiten haben wir schon einige besucht: Madaba mit vielen Kirchen und darin Mosaiken, den Berg Nebo von dem aus Moses auf das gelobte Land geblickt haben soll und die Taufstelle am Jordan, wo die Taufe Jesu seit der Spätantike verortet wird. Dort hat die jordanische Regierung allen Kirchen ein Grundstück bereit gestellt und auch die maronitische Kirche wird dort eine Kirche bauen, wo Maronit*innen aus der ganzen Welt die Taufe ihrer Kinder feiern können.

Heute Abend werden wir uns und den Verein der Gemeinde vorstellen und hoffentlich mit Vielen ins Gespräch kommen. Mehr dazu in den nächsten Tagen…

Maronitische Kirche St. Cherbel von innen
Maronitische Kirche St. Cherbel
Blick auf den Wald hinter der Kirche
Abouna Jihad (rechts) im Gespräch mit Abouna George (mitte) und Mitarbeitern im Pfarrhaus
Abouna Jihad (rechts) im Gespräch mit Abouna George (mitte) und Mitarbeitern im Pfarrhaus
Am Jordan
Eine russische Gruppe geht in den Jordan von der israelischen Seite. Der Fluss ist an dieser Stelle ein größeres Rinnsall, nur drei Meter trennen Jordanien und Israel.

Jordanien, die zweite (21.03.2013)

Vom Roten Meer bis zum Golan

Seit unserem letzten Blogeintrag ist einiges passiert. Der Reihe nach:

Wie im letzten Artikel angekündigt, hatten wir am letzten Sonntag vor, unseren Verein in der Gemeinde vorzustellen. Mit vorbereiteter Rede und viel Elan saßen wir in der Messe und warteten darauf, dass Abuna George uns nach vorne bitten würde. Leider beendete er die Messe ohne uns zu erwähnen, da er uns schlichtweg vergessen hatte. Wir ließen uns durch dieses Missgeschick nicht entmutigen und stellten uns und unsere Ideen einigen Gemeindemitgliedern direkt vor, die sich nach dem Gottesdienst im „Salon“, dem Empfangsraum des Pfarrhauses, einfanden um bei Kaffee und Tee noch etwas zusammenzusitzen. Hier bestätigte sich das, was Abuna Jihad uns über die Zusammensetzung der Gemeinde erzählt hatte: so lernten wir ein älteres Ehepaar kennen, das nach Jahren in den USA den Lebensabend in Amman verbringen will, eine libanesische Familie, die zum Arbeiten nach Jordanien kam, und Verwandte von Abuna Jihad aus Syrien, die sich der Liebe wegen hier niedergelassen haben – eine „Patchwork“-Gemeinde!

An den nächsten beiden Tagen besuchten wir die Büros zweier deutscher politischer Stiftungen, der Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD-nah), um mehr über ihre Arbeit und die aktuelle politische Lage im Land und in der Region zu erfahren. Zwei Dinge wurden deutlich: Erstens gibt es ein für die Region einzigartiges Interesse an Umweltthemen, wie beispielsweise erneuerbaren Energien. Zweitens sind in der Zivilgesellschaft bzw. in der NGO-Landschaft vor allem größere, zum Herrscherhaus gehörende Stiftungen und Organisationen aktiv. Mit der Deutsch-Jordanischen-Gesellschaft und der Deutsch-Jordanischen-Universität wurden uns zwei weitere Adressen genannt, bei denen wir Erfahrungen und Ideen einholen können.

Seidel
Gruppenbild bei der Hanns-Seidel-Stiftung

Für die Tage danach, haben wir uns ein Auto gemietet, um das Land zu erkunden. Zwar wären öffentliche Verkehrsmittel viel billiger, allerdings lässt sich so nur sehr zeitintensiv die ländliche Gegend erkunden. Zunächst ging es nach Aqaba. Allerdings nicht auf dem direkten Weg über die Wüstenautobahn, sondern über die „Königsstraße“,eine landstraßenähnliche Verbindung, die sich mit grandiosen Ausblicken durch zwei Wadis (Täler/Schluchten) schlängelt. Die Route wurde schon seit der Frühzeit von Händler*innen und Heeren genutzt, auch die Israelit*innen sollen hier auf dem Weg ins Gelobte Land durchgezogen sein.

Gegen Abend erreichten wir Aqaba, das an einem Vierländereck am Roten Meer bzw. am Golf von Aqaba liegt. Vom Strand aus erblickt man den Sinai (Ägypten), Elat (Israel) und Hügel und Berge von Saudi-Arabien. Das deutlich wärmere maritime Klima und das Treiben auf der Straße erinnerten uns an Latakia. Die Stadt wird vor allem wegen ihrer großartigen Möglichkeiten zum Schnorcheln und Tauchen von Touristen besucht. Auch wir haben das Korallenriff direkt am Strand genutzt und einen Tag gefaulenzt.

Auf dem Königsweg - Wadi Mujib
Auf dem Königsweg – Wadi Mujib
aqaba
Aqaba
Saudische Grenze
so nah und doch unerreichbar…

Am nächsten Tag ging es in die alte Nabatäer*innenstadt Petra, die seit 2007 zu den inoffiziellen „Neuen Sieben Weltwundern“ gehört, was sich in steigenden Besucher*innenzahlen und besonders horrend gestiegenen Eintrittspreisen niederschlägt. Nur Anna gönnte sich den Blick auf die in den Felsen gehauene Stadt, wir anderen erkundeten das kostenlose und fast menschenleere, idyllisch gelegene „Kleine Petra“, wo wir von einer durchziehenden Schafherde, aus unserem Mittagsschlaf im Sand, gerissen wurden.

Indianer Jones lässt Grüßen
Indianer Jones lässt Grüßen
ziege kl petra
Ziegen in einem Wadi nahe „Klein-Petra“

Unserem Reiseverständnis „Begegnung mit Menschen statt mit toten Steinen“ folgend, machten wir anschließend in der Stadt Ma’an Halt, die im Reiseführer als Ort abgetan wird, den man höchstens zum Umsteigen aufsuchen sollte. So wurden wir zum „touristischen Highlight“, im umgekehrten Sinne: die Leute begegneten uns mit herzlicher Neugier. Der ältere Herr wollte Florians Hand gar nicht mehr loslassen. Und das jemenitische Restaurant (ein Tipp eines in Ma’an ansässigen jemenitischen Schneiders) haben wir dann gleich zweimal besucht.

begegnung
Begegnung in Ma’an
beim jeminiten
Beim Jemeniten

Blieb nur noch der „obligatorische“ Ausflug ins Wadi Rum (sprich: „Ramm“), einigen vielleicht bekannt aus „Lawrence von Arabien“. Hier wurde der Massentourismus noch deutlicher als in Petra. Wir waren in einem sogenannten Beduinen-Camp untergebracht, was aber eher einem Freiluft-Hotel entspricht. Neben einer österreichischen Familie waren an diesem Abend aber keine Gäste da, und so konnten wir die Stille der Wüste wenigstens ansatzweise nachvollziehen. Unsere dreistündige Tour am nächsten Morgen war landschaftlich unglaublich – und der Wind eisig kalt. Dass wir die richtige Jahreszeit erwischt haben, merkte man an den violetten Blumenteppichen, die sich hier und da in der Wüste ausbreiteten. Dennoch war es etwas unbefriedigend, vom Fahrer des Jeeps „abgefertigt“ zu werden: Anhalten, Fotografieren, Weiterfahren. Beim nächsten Mal werden wir uns einen individuelleren Plan zurechtschneidern, so lässt sich beispielsweise auch durch die Wüste wandern.

Wadi Rum – im Gespräch mit dem Jeep-Fahrer

Sand aus den Schuhen Schütteln

Rechtzeitig zur nächsten Sonntagsmesse nach Amman zurückgekehrt, stellten wir uns endlich mit einer kleinen Rede auf Arabisch der Gemeinde vor. Die großen Augen einiger Zuhörer*innen machten schon während unserer kleinen Vorstellung deutlich, dass es diesmal mehr Interesse geben würde als am Sonntag davor, als uns die Leute anscheinend nicht richtig zuordnen konnten. Unter anderem wurden wir für Mittwochs eingeladen, bei der „Schabibe“, also der Jugendgruppe der griechisch-katholischen Gemeinde in Amman von unseren Erfahrungen in Latakia zu berichten.

Montag und Dienstag nutzten wir, um mit der verbliebenen Mietdauer des Wagens Richtung Norden zu fahren. Das Jordantal bot mit den vielen Bananenplantagen und dem Frühlingsgrün einen großen Kontrast zum trockenen Süden. Merkwürdig melancholisch wurde unter uns die Stimmung als wir an unserem Tagesziel ankamen: Die Ruinen von Umm Qays (die wir wieder einmal links liegen ließen) befinden sich am Drei-Ländereck zwischen dem syrischen (aber israelisch besetzten) Golan, Jordanien und Israel. Der See Genezareth (auf Arabisch See Tiberias) erstreckte sich in unmittelbarer Nähe zwischen den Bergen. Syrien war hier nur einen Steinwurf entfernt, und doch war es nicht mehr „unser“ Syrien. Ganz deutlich wurde hier für uns Europäer*innen die Selbstverständlichkeit offener Grenzen in Frage gestellt. Zwar sind keine Mauern oder Zäune zu sehen, aber drei Checkpoints innerhalb weniger hundert Meter, an denen wir zum ersten Mal als Ausländer nicht einfach durchgewunken wurden, und das Fotografierverbot zeigten eine andere Realität.

Golan
der Golan – hier noch von der Straße nach Umm Qays aus fotographiert

Nach dreistündiger Irrfahrt durch die Dunkelheit erreichten wir dann das Kloster in Anjara, in dem wir übernachten wollten. Es entpuppte sich als katholisch-international: Mit der argentinischen Schwester musste Christoph auf Spanisch sprechen, was in Abwechslung mit dem ägyptischen Arabisch des Paters für einige Verwirrung sorgte. An das Kloster angeschlossen ist eine Schule, wo 100 christliche und 100 muslimische Kinder zur Schule gehen, einige haben schwierige familiäre Hintergründe und leben ganz im Kloster. Dienstags begleitete uns dann Dschamil, ein syrischer Novize aus Aleppo, zu einer geführten Wanderung durch die Wälder. Da der Führer nur ein paar Brocken Englisch konnte, haben wir für die anderen deutschen Tourist*innen, denen wir uns angeschlossen hatten, gleich mitübersetzt. Die Tour ist eine von vielen vom RSCN (Royal Society for the Conservation of Nature) organisierten Aktivitäten in den Naturschutzgebieten Jordaniens. Prinzipiell ist dieses Engagement für nachhaltigen Tourismus sehr lobenswert, für Studierende allerdings relativ teuer. Die Wanderung endete am Seifen-Haus, wo (auch durch europäische Gelder) Frauen aus der Umgebung Seife herstellen und verkaufen. Neben der Natur genossen wir vor allem Dschamils syrische Gesellschaft.

Wanderung im grünen Norden
Wanderung im grünen Norden

Mittwoch Abend wurden wir dann wie geplant abgeholt, um bei der Jugend der griechisch-katholischen Kirche zu erzählen, was uns herführt. Nachdem wir kurz mit dem Bischof Hände geschüttelt hatten und den größten jordanischen Kirchbau anschauen durften, ließen wir uns mit gut einem Dutzend anderer Jugendlicher in einem „Salon“ nieder. Regulär gab es einen Vortrag zu einem religiösen Thema, diesmal: das Sakrament der Firmung. (Da in den Ostkirchen die Firmung mit der Taufe zusammenfällt, fehlt für die jungen Leute die Katechese, die wir im römisch-katholischen „Westen“ mit der Firmvorbereitung erfahren.) Bei unserem Vortrag wurde uns schnell bewusst, dass wir uns nicht genügend vorbereitet hatten. Es wurde aus unserem arabischen Vortrag nicht deutlich genug, wo denn jetzt der Unterschied zwischen SoFiA (dem Träger unserer Freiwilligendienste) und sawa – gemeinsam genau liegt und wie wir die Schlagworte Austausch, Begegnung und Kennenlernen mit Leben füllen wollen. Mit der Konkretisierung, evtl. Begegnungsreisen veranstalten zu wollen, wurden wir aber sofort eingeladen an einer Jugend-Freizeit teilzunehmen. Mit Sicherheit hat der Vortrag aber nicht geschadet: einige E-Mailadressen wurden ausgetauscht, man hat sich etwas kennengelernt, man weiß voneinander…und wir wissen, uns für’s nächste Mal besser vorbereiten zu müssen!

Meeting the Shabibe
bei den griechisch-katholischen Schabibe

Neben den vielen touristischen Orten nutzten vor allem Christoph und Florian ihre guten Arabisch-Kenntnisse, um mit den verschiedensten Leuten in Kontakt zu treten. Darunter mehrere Anhalter, die wir im Auto mitnahmen (vom schwerhörigen alten Mann, der ins nächste Dorf wollte, bis hin zum Studenten, der bei der Drogenpolizei arbeitete und uns von den Hilfsprogrammen für Drogenabhängige berichtete), ein Hotelbesitzer, der mit humorvollen Lebensweisheiten den Abend ausschmückte, ein Chauffeur, der einen Abend am Lagerfeuer die Welt mit zionistischen Weltverschwörungen erklärte und von seiner deutschen Frau erzählte, wie sie langsam den Islam für sich erkenne, sowie einem Hammammitarbeiter, der uns zur Papstwahl gratulierte.

Es bleibt jetzt noch die verbliebene Zeit zu nutzen, ein paar Interviews durchzuführen und Informationen zu sammeln für unsere geplante Mitgliederversammlung. Außerdem nutzen wir die Zeit, um mit Abuna Jihad mehr über die weitergehende Zusammenarbeit mit Latakia zu beraten und selbstverständlich auch untereinander zu tagen, schließlich sind wir sonst selten so lange an einem Ort zusammen.

In jedem Fall gibt es spätestens nach der Wiederankunft in Deutschland noch einmal ein paar abschließende Zeilen.

Jordanien, die dritte (21.04.2013)

Vom Verlauf der Dinge und dem Fluch des Rühreis.

Oder: welche Mitschuld Obama am verpassten Flug von Florian und Anna trägt

Mittlerweile zurück in Deutschland oder neu in Beirut, fällt der Blick zurück auf die letzten Tage in Amman und Umgebung. Die geleerten Arrakflaschen (Arrak ist ein Anisschnaps, ähnlich dem griechischen Ouzo, aber meist etwas stärker…) als Prophylaxe bzw. Medizin für unsere Kranken, fristen ihr tristes Dasein und auch der arabische und deutsche Kaffee, letzterer sehr zu Freuden Christophs, waren schlichtweg aufgebraucht – vier zusätzliche Gäste in einem Zwei-Personen-Haushalt (bei Abuna Jihad und Abuna George) machen sich schon deutlich bemerkbar…

Muttertag

Auch wenn jetzt in Deutschland noch niemand so richtig über den Muttertag nachdenken wird, in Jordanien wie in den umgebenden Ländern, so in Syrien und Libanon, fand der Tag zu Ehren der Mütter schon am 21. März statt. Zu diesem Ereignis hatte Abuna Jihad die Frauengemeinschaft zu einem Mittagessen in den Garten des Pfarrhauses eingeladen. So trudelten im Laufe des Vormittags die älteren Damen ein und klönten und aßen gemeinsam. Wir profitierten von den leckeren Überbleibseln.

Diesen wie auch den nächsten Tag nutzten wir vier, um Texte für die Homepage zu schreiben, zu übersetzen, uns über die zukünftige Vereinsorganisation Gedanken zu machen und zu lesen – natürlich auf Arabisch. Abends saßen wir meist mit Abuna Jihad zusammen und unterhielten uns bis spät in die Nacht. Diese Abende wurden zunehmend von einem Art Ritual eingeleitet: Abuna Jihad stand nach dem Abendessen auf und begab sich in den Salon stets mit der an uns gerichteten Aufforderung doch bald nachzukommen, denn wir müssten dringend über “den Verlauf der Dinge” beraten.

Friday Mall

Das Wetter erlebten wir als unglaublich wechselhaft. An einem Tag grüßte uns ein strahlend blauer Himmel und Sonnenschein, dazu ein leichter Wind; am nächsten Tag beschränkte ein Sandsturm, unsere Sicht auf wenige hundert Meter. So geschehen am Freitag, an dem wir (nach dem für uns typischen, lange währenden Entscheidungsprozess) uns dazu entschlossen hatten, den freitäglichen Flohmarkt in Abdali, einem Stadtteil von Amman, zu besuchen. Der Volksmund nennt den Markt scherzhaft „Friday Mall“. Dort angekommen, es war später Nachmittag, mussten wir jedoch feststellen, dass die meisten Händler*innen schon im Begriff waren, ihre Stände abzubauen, sodass wir nur im Vorübergehen von der großen Auswahl an Second-Hand Kleidern und Schuhen, dazu auch Obst und Gemüse, Notiz nehmen konnten. Der Wind trug sein Übriges zu der eigentümlichen Stimmung bei.

stürmig
stürmisches Wetter

Schließlich entschieden wir uns, nach Webdeh, ins Künstler*innenviertel Ammans, zu fahren. Leider waren die Galerien geschlossen, schließlich war Freitag. Das Café, in dem wir uns dann niederließen, hatte dann auch keinen „Bolo“ (Zitronensaft mit Pfefferminze) zu bieten, unser aller nicht-alkoholisches Lieblingsgetränk, denn auch die Minze hatte sich einen freien Tag genommen.

Künstlerviertel
Künstler*innenviertel

Lebanese House

Von der nächtlichen Planung der weiteren Vereinsarbeit etwas übermüdet, wurden wir am Samstag von Abuna Jihad und Abuna George ins Lebanese House nach Jerash eingeladen, ein – wie der Name unschwer erraten lässt – libanesisches Restaurant. Mindestens genauso anstrengend wie die Nacht war dann die Fahrt, mit sechs Personen in einem Auto; für eine Fahrt mit dem Bus war es schon zu spät. Endlich am Ziel angekommen, wurden wir sogleich vom Chef, einem libanesischen Maroniten aus der Gemeinde, begrüßt und konnten uns den köstlichen und üppigen Speisen hingeben. Dazu lauschten wir Musik von Feiruz, der legendären libanesischen Sängerin.

Amman-Vorstandssitzung
abendliche Vorstandssitzung

Um der Enge auf der Rückbank des Autos zu entgehen, wollten Florian und Anna den Bus zurück nach Amman nehmen. An der Ecke angekommen, wo der Bus halten sollte, wurden sie direkt von unzähligen Taxifahrern belagert, die ihre Taxis voll bekommen wollten und daher erzählten, es würden sowieso keine Busse fahren. Und die Busse, die dann vorüber fuhren, waren leider alle bis auf den letzten Platz gefüllt, sodass sie, nach einer Stunde Wartezeit ohne weitere Hoffnung, ihre Rückfahrt doch mit einem Taxi zusammen mit einem Vater und seinen zwei Kindern antreten mussten.

Zurück in Amman, es war Johannes letzter Abend, kochten wir noch einmal zusammen, ehe wir uns zum Flughafen aufmachten.

Kirche und Kino

Auch an diesem Sonntag konnten wir wieder die Zeit nach der Messe nutzen, um mit der Gemeinde ins Gespräch zu kommen, Kontakte herzustellen und Menschen ein bisschen von sawa zu erzählen. Wir führten unser erstes Interview für unsere geplante Zeitung und machten uns danach auf in die Stadt, um uns einen Kinofilm anzuschauen. Die Auswahl war nicht allzu groß, wollten wir doch einen arabischen Film sehen, und so sahen wir „Ala Gatiti“ (“Über meine Leiche”).

Besuch bei der Schneller Schule

Abuna Jihad stellte den Kontakt zum Direktor der Schneller-Schule her, der uns zu einem Jazz-Konzert in der Schule einlud. Wir hatten uns schon vorab vorgenommen, dort vorbeizuschauen. Die Schule hat ihre Wurzeln im Palästina des 19. Jahrhunderts, wo ein deutscher Missionar ein Waisenhaus eröffnete, um den Kindern und Jugendlichen (sowohl christliche als auch muslimische) eine Ausbildung zu ermöglichen. Wegen der fehlenden politischen Stabilität gründete sich die Schule in Jordanien (und ein weiterer Ableger im Libanon) neu. Seit Jahren sind dort auch deutsche Freiwillige, was das Ganze für uns noch einmal interessanter machte.

Der Direktor persönlich, selbst ein ehemaliger Schneller-Schüler, holte uns (inklusive Abuna Jihad) ab und zeigte uns das großzügige Gelände der Schule mit Kindergarten, Internat und Berufsausbildungszentrum inmitten einer grünen Oase. Die vier deutschen Freiwilligen, die jährlich über das Evangelische Missionswerk in Solidarität (EMS) in die Schneller-Schule gesandt werden, unterstützen die Arbeit in den Internaten, in denen vorwiegend Waisenkinder und Kinder mit besonderem Entwicklungsbedarf aus schwierigen Verhältnissen leben.

Der Jazz-Abend, durchgeführt von dem Musiker Alexander Blume und seinem Sohn Max aus der Nähe von Eisenach, brachte den Jungen und Mädchen viel Spaß, und sei es wegen den „fremden“ Deutschen, also uns, die klatschend und singend für aufregendes Getuschel und Mitmachen sorgten.

jazz abend
Jazz-Abend

Die beiden Musiker waren zum zweiten Mal auf Konzertreise in Jordanien, wo sie mit den Erlösen aus ihren Konzerten dort, aber auch mit Auftritten in Deutschland, eine integrative Schule unterstützen. Diese befindet sich in Irbid, einer Stadt nördlich von Amman, wo blinde, sehbehinderte und sehende Kinder gemeinsam unterrichtet werden. An der Schule arbeiten nicht nur sehende und sehbehinderte Lehrer*innen, sondern ebenfalls eine deutsche Freiwillige, die die Organisation des Jazz-Abends mit übernahm.

Letzter (im Nachhinein wissen wir: nur vorläufig letzter) Tag

Einige Besorgungen (die berühmten Mitbringsel, wie z.B. Süßigkeiten) wollten an diesem Tag noch in der Stadt erledigt werden. Warum ausgerechnet jetzt unser bis dahin sehr zuverlässiger Taxifahrer uns einen Strich durch unsere Planung gemacht hat, bleibt im Unklaren. Glücklicherweise konnten wir per Anhalter Richtung Stadt fahren. Wir streiften noch einmal durch die Buch- und CD Läden, kauften also Süßigkeiten und aßen zum letzten Mal bei Haschim, dem meistbesuchten Restaurant unseres Aufenthaltes (neben dem Jemeniten…). Dort stehen einfache (und wegen der vielen Kichererbsen gleichzeitig sehr schwere) Speisen zur Wahl, z.B. Hommos, das einige Deutsche schon mal aussprachetechnisch mit fertigem Kompost (Humus) verwechseln…Zurück in der Kirche verabschiedeten wir uns bei einem letzten Tee von den Mitarbeiter*innen , und verbrachten die Zeit bis zum Aufbruch mit Abuna Jihad und Abuna George.

saftladen
Was ein Saftladen!
letzte besorgungen
Letzte Besorgungen
Fatte-etc
bei Haschim: Fatte, Hommos, Falafel alles aus Kichererbsen

Um es kurz zu machen: Der Besuch von Obama eine Woche zuvor, hatte wohl die Eröffnung des neuen Flughafens in Amman vor dem eigentlichen Termin veranlasst…es funktionierte nur leider noch nicht alles so. Den Flug nachts um drei verpassten Flo und Anna, weil die Anzeigentafel sponnen. Fluggesellschaft und Flughafen schoben anschließend die Schuld dem jeweils anderen zu. Da aber niemand vom Personal am Flughafen eine zufriedenstellende Lösung parat hatte (unzählige Mitarbeiter*innen dort wurden durch die Beharrlichkeit von Flo informiert und Lösungen gefordert, und doch…) fuhren die beiden um neun Uhr morgens mit Abuna Jihad zurück zur Kirche. Dieser hatte gerade Christoph zu seinem Flieger nach Beirut gebracht, der wenig von der nächtlichen Aktion mitbekommen hatte und völlig überrascht war, die beiden immer noch in Amman zu sehen. Völlig übermüdet und ausgehungert machten also Anna und Flo sich bald auf den Weg in das Büro ihrer Fluggesellschaft, wo sie einen königlichen Ersatzflug (bei Royal Jordanian) für den nächsten Tag durchsetzen konnten. Das einzig Positive war, dass der neue Flug direkt nach Frankfurt ging. Christoph landete hingegen planmäßig eine Stunde nach Abflug auf libanesischem Boden, wobei er um 12.00 Uhr abhob und um 12.00 Uhr landete – dank Zeitverschiebung. Das Frühstück mit Eiern, was sich Christoph am Morgen seines Abfluges noch selbst zu seinem letzten deutschen Kaffee zauberte, hinterließ vermutlich jedoch magenkrampfende Wirkungen bei ihm – vielleicht waren die Eier faul? Florian und Anna konnten dem Fluch des Rühreis entgehen, das Abuna Jihad bei jedem der drei Abschiede für das nächste Mal in Aussicht gestellt hatte (das Rührei, nicht den Fluch!).

fussball jp
Die japanische Fußballnationalmannschaft am neuen Flughafen. Stunden zuvor hatten sie im WM-Qualifikationsspiel 1:2 gegen Jordanien verloren.